Der Neuntöter: Ein Meister der Dornhecken

Es war ein warmer Frühlingstag, als ich zum ersten Mal dem geheimnisvollen Bewohner der mittelländischen Kulturlandschaft begegnete – dem Neuntöter. Zwischen den dichten, dornigen Sträuchern konnte ich das bunte Federkleid eines Männchens erspähen. Sein rotbrauner Rücken leuchtete in der Nachmittagssonne, und der markante schwarze Augenstreif verlieh ihm eine geradezu majestätische Erscheinung. Fasziniert beobachtete ich ihn, wie er geschäftig umherflog, stets auf der Suche nach Beute.

Der Neuntöter, oder auch “Würger” genannt, ist die einzige Art seiner Gattung, die sich trotz der Veränderungen in unserer Landschaft behaupten konnte. Doch selbst dieser zähe Überlebenskünstler ist heute viel seltener anzutreffen als noch vor einigen Jahrzehnten. In den niedrigen Dornhecken, die seine Heimat sind, spielt sich ein ständiger Überlebenskampf ab. Hier, in dieser wildromantischen Kulisse, entfaltete der Neuntöter seine besondere Jagdtechnik: Das Aufspießen von Beutetieren an Dornen oder spitzen Ästen.

Während ich weiter durch die Hecken streifte, fiel mein Blick auf einen stachligen Zweig, an dem eine kleine, unglückliche Heuschrecke hing. Der Neuntöter hatte sie als Vorrat aufgespießt, bereit für ein späteres Festmahl. Diese ungewöhnliche Methode der Vorratshaltung brachte ihm seinen Namen ein. Früher glaubten die Menschen, der Vogel würde immer erst neun Tiere aufspießen, bevor er eines verzehrte – daher der Name “Neuntöter”.

Doch der Neuntöter ist nicht nur ein geschickter Jäger, sondern auch ein wunderschöner Vogel. Das Männchen beeindruckt mit seinem hell blaugrauen Scheitel und Bürzel, während die Unterseite hell und rosa überhaucht ist. Seine auffällige schwarz-weiße Schwanzzeichnung macht ihn zu einem echten Blickfang. Im Gegensatz dazu erscheinen die Weibchen und Jungvögel in matteren Farben, ihre Oberseite ist braun und die Unterseite hellgrau.

Die Zukunft des Neuntöters hängt stark von unserem Umgang mit der Landschaft ab. Extensiv genutzte Kulturlandschaften und unberührte Hecken bieten ihm die nötigen Lebensräume. Wenn wir diese einzigartigen Landschaften schützen und bewahren, können wir sicherstellen, dass der Neuntöter auch in den kommenden Jahren seine faszinierenden Jagdmethoden und sein prächtiges Federkleid zeigen kann.

Diese Begegnung mit dem Neuntöter hat mir die Augen für die Schönheit und Zerbrechlichkeit unserer Natur geöffnet. Es liegt an uns allen, diese wertvollen Lebensräume zu erhalten und damit auch den Neuntöter zu schützen. So kann dieser beeindruckende Vogel weiterhin durch unsere Hecken streifen und seine faszinierenden Geschichten erzählen.

Patrick Donini, BirdLife

Exkursion: Abendspaziergang – Dem Neuntöter auf der Spur

Datum: Dienstag, 2. Juli 2024

Treffpunkt: 18:00 Uhr – Waage Mosterei Brunner AG, Hauptstrasse 1, Steinmaur

Ausrüstung: Feldstecher

Weitere Infos: https://www.birdlife.ch/de/content/vogel-des-jahres-2020-neuntoeter

https://www.birdlife.ch/de/content/vogel-des-jahres-2020-neuntoeter

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